Castell de sa Punta de n’Amer

Im Zentrum der punta de n’Amer erhebt sich das castell de sa Punta de n’Amer (Kastell der Spitze des reinen Wassers) (39.579913, 3.396138).

Castell de sa Punta de n’Amer – Westliche Ansicht – 2023

Die Araber, die bis ins 8. Jahrhundert ein südlich des Mittelmeers vom heutigen Spanien bis zum heutigen Iran reichendes Imperium errichtet hatten, verloren während der Reconquista (722 bis 1492) nicht nur ihre Gebiete im heutigen Portugal und Spanien. Sie büßten während und nach der Reconquista vielmehr auch ihren Einfluss im heutigen Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen ein, die zugleich in einen wirtschaftlichen Niedergang verfielen.

Entlang der nordafrikanischen Küste entwickelten sich mit dem Sultanat Marokko, der Regentschaft Algier, der Regentschaft Tunis und der Regentschaft Tripolis unabhängig handelnde Provinzen des Osmanischen Reichs, die sich ab dem 16. Jahrhundert immer stärker der staatlich geförderten und betriebenen Piraterie zuwandten. Die als Barbareskenstaaten bezeichneten Machtgebilde stellten große Schiffsverbände auf, die das Mittelmeer durch Kaperei und Menschenraub in Angst und Schrecken versetzten.

Mit ihren Schiffen wandten sich die Barbaresken auch immer wieder gegen Mallorca.

Um der Gefahr der Barbaresken entgegenzuwirken, errichteten die Mallorquiner ab etwa 1550 ein System von Beobachtungs- und Signaltürmen, das sich um die gesamte Insel spannte. Mit den Rauch- und Feuersignalen konnten sie nicht nur die örtliche Bevölkerung zum Widerstand gegen die Piraten an einem Ort zusammenziehen. Vielmehr konnten sie mit den von Turm zu Turm weitergegebenen Nachrichten auch die im palau reial (Königspalast) de s’Almudaina in Palma ansässige Obrigkeit über die Bedrohung informieren. In der 1683 von Vincente Mut erstellten Landkarte sind auf der Insel insgesamt siebenunddreißig Beobachtungs- und Signaltürme ausgewiesen. Entlang der serra de Tramuntana und auf der illa de sa Dragonera sind sieben Beobachtungstürme und sechszehn Signaltürme verzeichnet, während entlang der südlichen Küste, deren Topographie eher eben ausgeprägt ist, zwei Beobachtungstürme und zwölf Signaltürme erfasst sind.

Zwar hatte der mallorquinische Vizekönig Luis Vich i Manrique de Lara (1583 bis 1594) bereits 1585 auf die Sinnhaftigkeit eines Wachturms auf der punta de n’Amer hingewiesen. Doch fasste die Stadt Manacor, zu der die Halbinsel seinerzeit gehörte, erst 1617 einen Beschluss zum Bau einer Wehranlage, nachdem es 1611 zu einem Angriff der Barbaresken gekommen war. Die finanziellen Mittel zur Errichtung eines Wachturms standen sodann aber über mehrere Jahrzehnte nicht zur Verfügung, sodass es 1688 zu einem erneuten Überfall der Barbaresken kam. Erst nachdem die Baukosten nunmehr bereitgestellt worden waren, wurde das Kastell von 1693 bis 1696 unter der Leitung des Bauingenieurs Martín Gil de Gaínza y Etxagüe (*1642/43 bis 1746) errichtet.

Das Kastell steht auf einer etwa 35 Meter aufragenden Anhöhe.

Es besteht aus Marèssteinen.

Die Quaderblöcke wurden an der südlichen Küste der Halbinsel im pedrera de sa Punta de n’Amer gebrochen. Die linearen und kubischen Steinschnitte sind in dem stillgelegten Steinbruch noch heute zu sehen.

Die Wehranlage verfügt über eine quadratische Grundfläche, deren Seitenlänge etwa 10 Meter beträgt. Sie ist von einem etwa 5 Meter breiten Graben umgeben, um den wiederum ein etwa 5 Meter breiter Wall errichtet ist. Der Wachturm gleicht einem Würfel, in den eine Pyramide eingelassen ist, sodass sich große Flächen der Außenwände nach innen neigen. Seine Bauform erschwert nicht nur das Erklimmen des Kastelldachs, vielmehr ist die Plattform oberhalb der geneigten Flächen auch mit Maschikulis versehen, durch die Angreifer bekämpft werden können.

Castell de sa Punta de n’Amer – Maschikuli – 2024

Das Kastell hat nur an der nordwestlichen Seite einen Zugang. Er ist mit einer Gittertür aus Eisen versehen.

Der Graben wird zunächst von einer steinernen Brücke überspannt, die auf einem Steinbogen aufliegt. Er wird sodann von einer Zugbrücke überwunden, die aus Holz gefertigt ist und die Zugangsöffnung vollständig verschließen kann.

Castell de sa Punta de n’Amer – Zugbrücke – 2023

Die Wehranlage verfügt nur über einen einzigen Raum, der sich über zwei Geschosse ausdehnt.

Während sich in der nordwestlichen Ecke ein offener Kamin befindet, an dessen linker Seite sich Schrank- und Regalnischen anschließen, liegt in der nordöstlichen Ecke eine steinerne Wendeltreppe. Der Aufstieg führt zunächst zu einer hölzernen Empore, die den Raum vollständig umläuft, und sodann zur Dachplattform.

Castell de sa Punta de n’Amer – Innenraum – 2023
Castell de sa Punta de n’Amer – Treppe – 2024

Die Empore eröffnet nicht nur an jeder Seite den Zugang zu einer Schießscharte, sondern trägt auch die hölzerne Winde der Zugbrücke.

Castell de sa Punta de n’Amer – Schießscharte – 2024
Castell de sa Punta de n’Amer – Winde der Zugbrücke – 2023

Die Plattform, die vollständig von einer Brustwehr umsäumt ist, beherbergt bis heute ein Festungsgeschütz des Modells Skorpion, das die badia de Son Servera weiterhin zu beschützen scheint; ursprünglich waren zwei Festungsgeschütze mit unterschiedlichen Kalibern auf dem Dach stationiert.

Castell de sa Punta de n’Amer – Dachplattform – 2024

Das Kastell war ständig mit drei Soldaten besetzt. Sie waren mit sechs Musketen und sechs Espingardes ausgestattet.

Die zahlreichen Kriegshandlungen, die insbesondere England, Frankreich, Niederlande, Spanien und Vereinigte Staaten von Amerika von 1620 bis 1829 gegen die Barbareskenstaaten geführt hatten, drängten die Seeräuberei im Mittelmeer immer weiter zurück. Den letzten Stoß führte das (Dritte) Königreich Frankreich gegen das Sultanat Marokko, indem es 1844 die Einstellung der Piraterie erzwang.

Die Befriedung des Mittelmeers nahm dem Kastell schnell seine Bedeutung.

Mit den Soldaten Bartomeu Bujosa und Francesc Fernàndez zogen 1852 nicht nur die letzten Wächter ab. Vielmehr wurden 1852 auch die Festungsgeschütze abtransportiert.

Das (Erste) Königreich Spanien betrieb den Verkauf der Wehranlage, nachdem sie 1857 von der Armee aufgegeben worden war. Das Kastell wurde schließlich von dem Dichter Pere Orlandis i Despuig (*1864 bis 1897) erworben.

Die (Zweite) Spanische Republik, die am 14. April 1931 von dem späteren spanischen Präsidenten Niceto Alcalá-Zamora Torres (1931 bis 1936) ausgerufen worden war, war zwar mit dem Ziel angetreten, die Gesellschaft zu modernisieren. Sie konnte die von ihr ausgegebenen Ziele aber nicht umsetzen, sodass die Konzept- und Hilflosigkeit der (Zweiten) Spanischen Republik in der Bevölkerung sowohl zu Unmut als auch zu Gewalt führten.

Am 17. Juli 1936 löste General Francisco Franco Bahamonde (*1892 bis 1975) den Spanischen Bürgerkrieg aus, indem er sich in Spanisch-Marokko mit den ihm unterstellten Truppen gegen die (Zweite) Spanische Republik erhob. Bereits am 18. Juli 1936 trug Franco den Staatsstreich nach Spanien, in dem die nationalen Franquisten und die demokratischen Republikaner einen blutigen Kampf um die Macht in den Städten und Regionen führten. Nachdem der republikanische Widerstand zusammengebrochen war, erklärte Franco am 1. April 1939 die siegreiche Beendigung des Spanischen Bürgerkriegs, auf den seine bis zum 20. November 1975 andauernde Diktatur folgte.

Während des Spanischen Bürgerkriegs richteten die Franquisten in und um das Kastell einen Militärstützpunkt ein, der der Überwachung der östlichen Küste diente. Sie unterhielten in der Wehranlage insbesondere einen Funkposten, der in das Abhörnetz der franquistischen Streitkräfte eingegliedert war. Nordwestlich des Kastells bauten die Franquisten ein Gebäude als Unterkunft für die Soldaten, in dem heute eine Gaststätte betrieben wird.

Das Kastell wurde 1969 vollständig restauriert.