Torrent de Pareis: Der mallorquinische Canyon

Etwa auf halber Strecke zwischen Sóller und Pollença durchbricht der torrent de Pareis die nordwestliche Flanke der serra de Tramuntana.

Seinen Beginn nimmt das Gewässer am confluència de s’Entreforc (39.835600 N, 2.834355 O), den Mündungen des torrent des Gorg Blau und des torrent de Lluc. Aus einer Höhe von etwa 180 Meter führt der Sturzbach über eine Entfernung von etwa 3,3 Kilometer hinab zum platja des Torrent de Pareis (39.852294 N, 2.805610 O).

Der Wasserlauf verfügte zunächst nicht über das heutige Gefälle, vielmehr floss er sanft über die Ebenen der serra de Tramuntana bis zur Küste, an der er sich über ein hohes Kliff ins Meer ergoss. Seit dem Messinium (7,246 bis 5,333 mya) wirkten die über den Wasserfall hinabstürzenden Wassermassen sodann fortwährend auf das vorhandene Kalk- und Dolomitgestein ein, das sie nicht nur abtrugen, sondern insbesondere im Bereich des Wasserfalls auch unterhöhlten und zum Einstürzen brachten. Die stetige Erosion verursachte über die Jahrmillionen einen tiefen Einschnitt ins Gelände, der sich entgegen der Fließrichtung vom heutigen Mittelmeer in die heutige serra de Tramuntana hineinfraß. Die heutige Schlucht, durch die der Sturzbach fließt, bildet den zweitgrößten Canyon im Mittelmeerraum.

Torrent de Pareis – Confluència de s’Entreforc – 2007

Der südlich des confluència de s‘Entreforc gelegene torrent des Gorg Blau bezwingt einen Höhenunterschied von etwa 627 Meter; sein Becken umfasst eine Fläche von etwa 14 Quadratkilometer. Der torrent des Gorg Blau hat seine Quelle am puig des Tossals Verds, der sich bis zu etwa 1.118 Meter in die Höhe erstreckt. Seit der 1972 abgeschlossenen Errichtung der embassament (Stauung) des Gorg Blau verläuft der torrent des Gorg Blau durch den Stausee, sodass er im weiteren Verlauf auch als Abfluss der embassament des Gorg Blau genutzt wird. Einige der Quellen in der Umgebung des Stausees geben ihr Wasser auch weiterhin unmittelbar in den torrent des Gorg Blau ab, so die zwischen dem etwa 1.445 Meter hohen puig Major de Son Torrella und dem etwa 1.108 Meter hohen puig de ses Vinyes gelegene font de s’Escudella. Einen besonderen Eindruck bietet die Felsenge der sa Fosca, deren Wände sich derartig nahe gegenüberstehen, dass das Sonnenlicht den Boden der Schlucht niemals erreicht; ein Blick zum Himmel lässt riesige Felsblöcke erkennen, die sich zwischen den Wänden verkeilt haben.

Der östlich des confluència de s’Entreforc verlaufende torrent de Lluc überwindet einen Höhenunterschied von etwa 500 Meter; sein Becken erstreckt sich auf einer Fläche von etwa 28 Quadratkilometer. Der torrent de Lluc nimmt seinen Anfang etwa 100 Meter östlich des santuari de Santa Maria de Lluc aus der Vereinigung von zwei Sturzbächen, die an den Hängen des etwa 837 Meter hohen moleta de Binifaldó und des etwa 771 Meter hohen puig Ferrer entspringen. Daneben wird der torrent de Lluc auch von einigen Wasserläufen gespeist: Aus nördlicher Richtung fließen ihm das Wasser der font des Pedregaret über den torrent de Binifaldó, der font des Sementer de Mossa über den torrent d’Alqueda und der font des Poll über den torrent des Boverons zu. Aus südlicher Richtung führen ihm mehrere Quellen der clot d’Albarca, der fruchtbaren Senke zwischen den Bergen, ihr Wasser zu.

Trotz seines großflächigen Einzugsgebiets führt der torrent de Pareis nicht ständig Wasser. Vielmehr wird er nur dann zu einem reißenden Sturzbach, wenn Regenfälle in der serra de Tramuntana niedergehen.

Die Herkunft des Namens des Sturzbachs wird unterschiedlich erklärt:

Das Diccionari català – valencià – balear (Wörterbuch Katalanisch – Valencianisch – Balearisch) verweist auf das katalanische Wort „parell (Paar)“, das sich im Plural zum Begriff „pareis (Paare)“ entwickelt haben und die beidseitige Parität der aufsteigenden Felsen beschreiben soll. Auf den katalanischen Ausdruck „paret (Mauer)“ bezieht sich der Sprachwissenschaftler Enric Moreu i Rey (*1907 bis 1992), das aus dem veralteten Begriff „perei (Mauer)“ hervorgegangen sein und die hohen Felswände bezeichnen soll. Der Linguist Joan Coromines i Vigneaux (*1905 bis 1997) sieht den Ursprung in der katalanischen Bezeichnung „paraís (Bilge)“, die im Mittelalter (600 bis 1500) den Schlafraum unter dem Deck eines Schiffs beschrieb. Das katalanische Wort „paradís (Paradies)“ ergreift der Sprachwissenschaftler Cosme Aguiló i Adrover (*1950), um einen erhabenen Ort des Wohlbefindens widerzuspiegeln. Der Linguist Francesc Canuto i Bauçà zieht in seinem 2008 zum Jornada d’Antroponímia i Toponímia (Arbeitstag der Anthroponymie und Toponymie) erschienen Aufsatz „El torrent de Pareis: Nova proposta etimològica (Der torrent de Pareis: Neuer etymologischer Vorschlag)“ ebenfalls den katalanischen Ausdruck „paradís (Paradies)“ heran, dem er allerdings die Bedeutung eines sicheren Zufluchtsorts für Schiffe gibt.

Der Canyon beeindruckt mit seinen vielfältigen Erscheinungsbildern und seinen zahlreichen Naturschauspielen.

Auf Wegstrecken mit grobem Kies folgen Etappen mit scharfkantigen Steinen. Auf schmale Schlunde, die nur eine Breite von wenigen Meter erreichen, folgen weite Taleinschnitte; die Wände ragen in einzelnen Bereichen nahezu senkrecht bis zu etwa 200 Meter in die Höhe.

Der Weg durch die Schlucht wird immer wieder versperrt.

Große Felsblöcke müssen kletternd überwunden werden, während mit Wasser gefüllte Gumpen, zumindest nach erheblichen Regenfällen, durchschwommen werden müssen. Die Engstelle mit dem Namen „grassós estrenyeu vos“ macht ihrer Bezeichnung „Dicke macht Euch dünn“ alle Ehre, aber auch die Engstelle des pas de s’Estaló begründet einen schwierigen Wegabschnitt.

Die Schlucht ermöglicht den Zugang zu einigen Höhlen, so zur cova des Soldat Pelut und zur cova des Romagueral, die allerdings nicht sehr weit in den Berg hineinreichen. Sie beherbergt mit der font des Degotís auch eine Quelle, deren Wasser aus der Felswand heraustropft.

Torrent de Pareis – Letzte Barriere – Östliche Ansicht – 2015

Etwa 600 Meter nach der letzten Barriere, die aus großen Felsbrocken besteht, öffnet sich der ansonsten enge Canyon zu einem etwa 100 Meter breiten und 200 Meter langen Oval, den tram de s’Olla. Die romantische Atmosphäre und die besondere Akustik des Ortes bieten am ersten Sonntag im Juli den Rahmen für ein Chorkonzert, das 1963 von dem Maler Josep Coll i Bardolet (*1912 bis 2007) ins Leben gerufen worden war.

Torrent de Pareis – Tram de s’Olla – Östlicher Blick – 2015
Torrent de Pareis – Tram de s’Olla – Westlicher Blick – 2015

Ein Fußgängertunnel, der durch die südwestliche Felswand des tram de s’Olla getrieben wurde, führt heute nach Port de sa Calobra. Vor der Schaffung dieses Durchbruchs war das Mündungsgebiet des Sturzbachs, in dem einige Gemüsegärten angelegt worden waren, von dem Ort aus nur über die carrer Nou zu erreichen; die Treppen, die den Zugang zur carrer Nou eröffnen, sind etwa 100 Meter südöstlich des heutigen Tunnels noch vorhanden.

Am platja des Torrent de Pareis, der mit einer Breite von etwa 30 Meter zwischen nahezu senkrecht aufsteigenden Felswänden gelegen ist, mündet das Gewässer ins Meer. Der von der Meeresbrandung aufgetürmte Kiesstrand lässt das Wasser des Sturzbachs zu regenarmen Zeiten nicht abfließen, sodass sich im Hinterland des platja des Torrent de Pareis einige großflächige Teiche bilden.

Torrent de Pareis – Platja des Torrent de Pareis – 2015

Bereits am 30. Januar 1991 beschloss das Parlament de les Illes Balears (Parlament der Balearischen Inseln) mit dem Llei (Gesetz) 1/1991 auch einen besonderen Schutz der serra de Tramuntana, indem es den Gebirgszug zum Àrea Natural d’Especial Interès (Naturgebiet von besonderem Interesse) bestimmte. Die Schlucht des torrent de Pareis erhob der Consell Insular de Mallorca (Mallorquinischer Inselrat), ebenso wie die Flächen des torrent des Gorg Blau und des torrent de Lluc, sodann am 16. Mai 2003 mit dem Decret (Dekret) 53/2003 zum Monument Natural (Naturmonument). So sind nicht nur Veränderungen der Wassersysteme und Abhaltungen von Jagden unter Aufsicht gestellt, vielmehr sind auch das Sammeln von Gesteinen und das Anbringen von Kletterhaken ohne eine behördliche Genehmigung verboten. Am 16. März 2007 schuf der Consell Insular de Mallorca mit dem Decret 19/2007 schließlich das Landschaftsschutzgebiet der serra de Tramuntana, in das auch der Canyon des torrent de Pareis eingegliedert wurde.

Der Canyon beherbergt etwa dreihundert Pflanzenarten, so insbesondere: Balearen-Fingerhüte, Balearen-Hauhecheln, Bocks-Johanniskräuter, Echte Lorbeeren, Europäische Stechpalmen, Gefleckte Rittersporne, Gewöhnliche Felsenbirnen, Glänzende Pastinaken, Jauberts-Veilchen, Johannisbrotbäume, Land-Brachsenkräuter, Mallorca-Bibernellen, Mallorca-Brennesseln, Mönchspfeffer, Schneeball-Ahorne und Terpentin-Pistazien.

Die Schlucht beheimatet in den verzweigten und verwinkelten Ausläufern auch verschiedene Tierarten, so insbesondere: Balearen-Schnirkelschnecken, Balearen-Tatzenkäfer, Baummarder, Hausziegen, Mallorca-Geburtshelferkröten, Mauswiesel und Waldmäuse.

Bereits am 2. April 1979 hatte der Rat der Europäischen Gemeinschaften mit der Richtlinie 79/409/EWG einen nachhaltigen Vogelschutz eingefordert. Mit dem 1985 erfolgten Beitritt des Königreichs Spanien konnte auch in der serra de Tramuntana eine Zona d’Especial Interès para l’Avifauna (Zone von besonderem Interesse für die Vogelwelt) in den europäischen Vogelschutz eingebunden werden, die auch große Flächen des torrent de Pareis umfasst.

Die Felswände des Canyons dienen außerdem einigen Vogelarten als Nistplatz, so insbesondere: Blaumerlen, Felsenschwalben und Felsentauben.