Der schlafende Drache: Die illa de sa Dragonera

Vor der Südwestküste Mallorcas liegt die illa de sa Dragonera (Dracheninsel) (39.585330 N, 2.320991 O).

Illa de sa Dragonera – Nordöstliche Ansicht – 2013

Die etwa 4,2 Kilometer lange und etwa 900 Meter breite Landmasse umfasst eine Fläche von etwa 2,9 Quadratkilometer. Sie wird von Mallorca durch die estret des Freu getrennt, die eine Breite von etwa 780 Meter und eine Tiefe von etwa 15 Meter hat; nicht selten durcheilen Blau-weiße Delfine, Gemeine Delfine oder Große Tümmler die Meerenge, in der sie sodann für kurze Momente an der Wasseroberfläche erscheinen.

Estret des Freu – Nördlicher Blick – 2014

Im Längsschnitt, so von Sant Elm aus betrachtet, erinnert die Insel an einen im Wasser liegenden Drachen. Am südwestlichen cap de Llebeig ruht zunächst der ins Wasser gelagerte Kopf. In nordöstlicher Richtung steigt sodann das Rückgrat steil in den Himmel, dessen Schuppen von den Höhen des puig des Aucells und des puig de na Pòpia geformt werden. Am nordöstlichen cap de Tramuntana endet schließlich der lang auslaufende Schwanz wiederum im Wasser. Im Querschnitt gleicht die Insel einem rechtwinkligen Dreieck: Das von Südosten nach Nordwesten ansteigende Gelände bildet die Hypotenuse, während die senkrecht abfallende Steilküste im Nordwesten eine Kathete gestaltet.

Illa de sa Dragonera – Südöstliche Ansicht – 2014

Mit der illa de sa Dragonera setzt sich die serra de Tramuntana geologisch nach Süden fort. Die Insel und das Gebirge neigen sich von den Steilhängen im Westen zu den Ebenen im Osten.

Sie bestehen aus Kalkstein, der zahlreiche Hohlräume hervorgebracht hat.

Der puig des Aucells erreicht eine Höhe von etwa 312 Meter.

Der puig de na Pòpia erhebt sich bis zu einer Höhe von etwa 353 Meter. Er bildet die höchste Erhebung der Insel.

Illa de sa Dragonera – Far Vell – 2014

Die Ruinen des far Vell sind bis heute auf dem puig de na Pòpia vorhanden. Sie verantworten, dass der Berg auch als puig des Far Vell bezeichnet wird.

Die Oberfläche der Insel wird ganz überwiegend von Macchien und Schrofen geprägt. Lediglich nordöstlich der cala des Lledó sind seit 1941 einige Flächen vorhanden, die wegen der dort gelegenen Quelle landwirtschaftlich genutzt werden.

Die mediterrane Hartlaubvegetation der Macchien erreicht vereinzelt eine Höhe von etwa 3 bis 5 Meter. Sie ging aus Wäldern hervor, die durch den Menschen über Jahrhunderte übermäßig genutzt wurden, insbesondere auch durch Holzentnahmen. Die immergrünen Sträucher stehen nicht nur dicht an dicht. Vielmehr sind ihre Äste auch ineinander verflochten und von dornbewehrten Lianen durchzogen, sodass sie für größere Tiere kaum zu durchdringen sind. Unterhalb der Büsche lässt eine starke Beschattung des Bodens allein eine Krautschicht zu, in der nur wenige Pflanzenarten gedeihen.

Das steile Gelände der Schrofen ist lediglich mit Gras und Geröll durchsetzt.

Die Flora hat etwa dreihundertsiebzig Pflanzenarten auf der Insel hervorgebracht, von denen etwa 5 Prozent ausschließlich auf der Insel wachsen.

Die nicht unmittelbar an den Küsten gelegenen Macchien werden von Rosmarin, Olivenbäumen und Zwergölbäumen beherrscht, während sich an den dem salzigen Wind ausgesetzten Küsten auch Dornlattich, Meerfenchel und Strandflieder angesiedelt haben. Gerade die Felsabstürze der nordwestlichen Steilküste, die für die auf der Insel lebenden Pflanzenfresser nicht erreichbar sind, bieten vielen Pflanzenarten ein sicheres Rückzugsgebiet. Hier wächst insbesondere die Lackmusflechte, die von den Mallorquinern unter Lebensgefahr geerntet und aus der früher der purpurne Farbstoff der Orseille gewonnen wurde.

Die Fauna auf der Insel wird im Wesentlichen von Vögeln und Eidechsen bestimmt.

Illa de sa Dragonera – Dragonera-Eidechsen – 2014

Die Steilküste im Nordwesten ist von Eleonorenfalken und Wanderfalken besiedelt; die Brutkolonie der Eleonorenfalken ist die größte im westlichen Mittelmeerraum. Die gesamte Insel wird nicht nur von Mittelmeermöwen, Samtkopf-Grasmücken und Rotkehlchen, sondern auch von Balearen-Eidechsen bewohnt, die sich auf der Insel zu den endemischen Dragonera-Eidechsen entwickelt haben.

Illa de sa Dragonera – Dragonera-Eidechse – 2014

Die Insel wurde bis in die 1950er Jahre auch von Mittelmeer-Mönchsrobben besiedelt, die von den Menschen aber nachhaltig verfolgt wurden und vom Aussterben bedroht sind. Von den heute noch etwa dreihundertfünfzig bis vierhundertfünfzig lebenden Tieren siedeln etwa zweihundertdreißig bis dreihundert Individuen im östlichen Mittelmeerraum. Auf der Insel erinnert nur noch die cova des Vell Marí an den „Alten Seemann“, wie die Mittelmeer-Mönchsrobben im Katalanischen genannt werden.

Bereits während des Talaiotikums (1300 bis 100 v. Chr.) könnte die Insel besiedelt gewesen sein. Die auf eine Besiedlung deutenden Hinweise sind aber bis heute noch nicht ausreichend wissenschaftlich bewertet worden.

Nicht nur die vor dem Meer geschützte Ostküste förderte die Besiedlung. Vielmehr war auch die in der cala des Lledó gelegene Quelle von besonderer Bedeutung, da sie auf der kargen Insel die Wasserversorgung gewährleistete.

Illa de sa Dragonera – Cala des Lledó – Port de sa Dragonera – 2014

Ein Gräberfeld aus der Römischen Zeit (123 v. Chr. bis 465) befindet sich in der Nähe der cala des Lledó.

Das seit 903 von den Arabern besetzte Mallorca wurde 1229 vom aragonesischen König Chaime I dem Eroberer (1213 bis 1276) eingenommen, dem späteren mallorquinischen König Jaume I dem Eroberer (1230 bis 1276). Mit der Unterwerfung wurden die Besitztümer der Insel nicht nur unter den Invasoren aufgeteilt, vielmehr wurde die Verteilung der mallorquinischen Ländereien auch im Llibre del Repartiment de Mallorca (Buch der Aufteilung Mallorcas) festgehalten.

Ein 1232 getätigter Eintrag im Llibre del Repartiment de Mallorca weist aus, dass das Eigentum an der illa de sa Dragonera auf Berenguer de Palou II übertragen wurde, den Bischof von Barcelona (1212 bis 1241).

Die ungenutzte und unbewohnte Insel diente über Jahrhunderte hinweg lediglich als Stützpunkt für Piraten. Sie richteten sich auf der Insel insbesondere in einer Höhle ein, in der etwa 40 Meter unterhalb des Zuganges ein Süßwasser führender See gelegen ist.

Um die Freibeuter fernzuhalten, wurde nicht nur der Eingang der Höhle mit einem riesigen Felsbrocken verschlossen. Vielmehr wurden im 16. Jahrhundert auch zwei Wachtürme auf der Insel errichtet: Der 1580 erbaute torre de na Guinavera ist heute nicht mehr erhalten, da später genau an seinem Standort der far Vell errichtet wurde; bereits für 1342 ist auf dem puig de na Pòpia ein Wachturm belegt. Der 1585 errichtete torre de Llebeig ist heute in einem guten Erhaltungszustand, nachdem er 2004 vollständig restauriert wurde.

Die Familie Villalonga erwarb 1811 in das Eigentum an der Insel.

Mit dem far Vell wurde 1850 der erste Leuchtturm auf der Insel erbaut. Sein Standort auf dem puig de na Pòpia stellte sich jedoch schon bald als ungünstig heraus, da Wolken und Nebel sein Leuchtzeichen häufig behinderten. Um den far Vell zu ersetzen, wurden daher zunächst von 1905 bis 1910 im Süden der far de Llebeig und sodann von 1907 bis 1910 im Norden der far de Tramuntana errichtet.

Der Unternehmer und Bankier Juan March i Ordinas (*1880 bis 1962) erwarb zwar 1934 das Eigentum an der Insel. Er veräußerte sie jedoch bereits 1939 wieder an die Familie Villalonga, die die Insel bereits 1941 an den Landwirt Joan Flexas verkaufte. Auf der Insel unterhielt Flexas nördlich der cala des Lledó eine Landwirtschaft, bevor er 1974 für 300 Millionen ESP eine Übertragung des Eigentums an der Insel auf die Firma Patrimonial Mediterrània tätigte.

Der Parc Natural de sa Dragonera entwickelte sich auf das eifrige und hingebungsvolle Betreiben der Mallorquiner.

Die Firma Patrimonial Mediterrània erwirkte ab 1976 zwar eine Baugenehmigung für eine touristische Erschließung der Insel. So wollte sie etwa eintausendzweihundert Häuser errichten und an der punta des Calafats einen Yachthafen für etwa sechshundert Boote schaffen. Doch führte der breite und starke Widerstand der Mallorquiner immer wieder zu einer Projektverschiebung, sodass die touristische Erschließung der Insel schließlich ganz unterblieb; der Audiencia Nacional de España (Nationaler Gerichtshof von Spanien) hatte 1984 ein umfassendes Bauverbot für die Insel erlassen. Nachdem der Concell Insular de Mallorca (Mallorquinischer Inselrat) bereits 1987 insbesondere die illa de sa Dragonera erworben hatte, richtete die Govern de les Illes Balears (Regierung der Balearischen Inseln) sodann am 26.01.1995 mit dem Decret (Dekret) 7/1995 den Parc Natural de sa Dragonera ein, der neben der illa de sa Dragonera auch die illa de sa Mitjana und die illa des Pantaleu umfasst.

Illa des Pantaleu – Nordöstliche Ansicht – 2014