Île de la Cité: Der Kopf, das Herz und das Mark von Paris!

Die île de la Cité (Stadtinsel) (48.854994 N, 2.346546 O) liegt im Zentrum von Paris in der Seine.

Die Insel, die bereits 1190 von dem Chronisten Gui de Bazoches (*1146 bis nach 1203) als „La tête, la cœur und la moelle de Paris (Der Kopf, das Herz und das Mark von Paris)“ bezeichnet wurde, ist die Keimzelle der Stadt, von der die städtische Entwicklung ausging. Ab dem 4. Jahrtausend v. Chr. wurde sie von den Parisiern besiedelt, die ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. auch städtische Strukturen auf der Insel schufen. Nachdem die Römer in Gallien, dem heutigen Frankreich, eingefallen waren, errichteten sie ab 52 v. Chr. auf dem rive Gauche (Linkes Ufer) eine Stadt, in der die Insel schließlich aufging.

Die Insel umfasst eine Fläche von etwa 220.000 Quadratmeter.

Sie besteht aus vier ursprünglichen Inseln, die der französische König Henri III (1574 bis 1589) ab 1854 miteinander verbinden ließ. Die östliche île de la Cité, die mit einer Fläche von etwa 80.000 Quadratmeter die größte Ausdehnung hatte, wurde an die drei ihrer westlichen Spitze vorgelagerten Schwemminseln angeschlossen: Île aux Juifs, île des Passeurs und îlot de la Gourdaine.

Auf ihrer nördlichen Seite wird die Insel von vier Brücken mit dem Ufer der Seine verbunden: pont Neuf, pont au Change, pont Notre-Dame und pont d’Arcole. Auf ihrer südlichen Seite führen fünf Brücken über die Seine: pont Neuf, pont Saint-Michel, petit pont Cardinal-Lustiger, pont au Double und pont de l’Archeveché. An ihrer östlichen Spitze erstreckt sich eine Brücke zur île Saint-Louis: pont Saint-Louis.

Die westliche Spitze der Insel nimmt der square du Vert-Galant ein.

Der Park liegt etwa 7 Meter unterhalb des sonstigen Niveaus der Insel. Er wird damit immer wieder vom Hochwasser der Seine betroffen. Die Grünflächen sind insbesondere mit Eiben, Eschen, Kastanien, Nussbäumen und Trauerweiden bepflanzt, unter denen sich Enten und Schwäne angesiedelt haben.

Der Name der Parkanlage spielt auf den französischen König Henri IV den Großen (1589 bis 1610) an, dessen zahllose Liebschaften ihm den Beinamen des vert galant (Schürzenjäger) einbrachten. Gleichwohl ließ ihm Maria de‘ Medici (*1575 bis 1642), seine zweite Ehefrau, zwischen dem Garten und der pont Neuf ein prächtiges Reiterstandbild errichten.

Als Hinrichtungsort erlangte der heutige sqaure du Vert-Galant im 14. Jahrhundert eine grausame Berühmtheit.

Die Pauperes commilitones Christi templique Salomonici Hierosolymitanis (Arme Ritterschaft Christi vom salomonischen Tempel zu Jerusalem), die sich wahrscheinlich zwischen 1118 und 1121 gegründet hatte und in den nachfolgenden Jahrhunderten als Templerorden bekannt geworden ist, wird erstmals in der am 13. Januar 1129 erstellten Urkunde erwähnt, in der die Ordensregeln im Namen von Papst Honorius II (1124 bis 1130) bestätigt werden. Nachdem der Ritterorden am 29. März 1139 in der Bulle „Omne datum optimum“ von Papst Innocentius II (1130 bis 1143) von der Verpflichtung zur Steuerzahlung befreit, am 9. Januar 1144 in der Bulle „Milites templi“ von Papst Caelestinus II (1143 bis 1144) unter den Schutz des Klerus gestellt und am 7. April 1145 in der Bulle „Militia Dei“ von Papst Eugenius III (1145 bis 1153) mit dem Recht zur Steuererhebung ausgestattet worden war, entwickelte er sich bis zum 13. Jahrhundert zu einer wirtschaftlichen und politischen Macht, die ihren Einfluss auf ganz Europa ausgedehnt hatte.

Mit der Bedeutung des supranationalen Templerordens wuchs auch der Argwohn der europäischen Adelsgeschlechter, die insbesondere im großen und kampferprobten Heer der Ritterschaft eine Bedrohung ihrer nationalen Interessen sahen. Gerade der französische König Philippe IV der Schöne (1285 bis 1314), der auch bei den Templern hoch verschuldet war, neidete dem Ritterbund seine Privilegien und sein Vermögen. Nachdem die Tempelritter mit den Vorwürfen der Häresie und der Sodomie konfrontiert worden waren, nutzte Philippe IV die Beschuldigungen als Vorwand, um am 14. September 1307 einen Haftbefehl gegen alle in Frankreich lebenden Templer zu erlassen. Als versiegelte Depeschen ließ Philippe IV den Haftbefehl an alle zuständigen Amtsstellen in ganz Frankreich versenden, denen aufgegeben wurde, die Schreiben erst am 13. Oktober 1307 zu öffnen.

Die Briefe wurden am vorgegebenen Tag nicht nur entsiegelt, vielmehr wurden am festgelegten Tag auch alle in Frankreich lebenden Tempelritter verhaftet, allein in Paris wurden einhundertachtunddreißig Ordensleute festgenommen. Die Gefangenen ließ Philippe IV ab dem 19. Oktober 1307 in die Verantwortung der französischen Inquisition übergeben, die bis 1312 unzählige Templerprozesse führte, in denen die Ordensbrüder in der Regel dem Tode überantwortet wurden.

Der 13. Oktober 1307, ein Freitag, ging als „Schwarzer Freitag“ in die französische Geschichte ein.

Zwar protestierte Papst Clemens V (1305 bis 1314) zunächst gegen die Verfolgung der Tempelritter in Frankreich, insbesondere die Verhaftung, die Folter und den Vermögenseinzug. Doch stimmte er nach geheimen Verhandlungen mit Philippe IV sodann in die Nachstellungen gegen den Ritterorden ein, wobei er die Templer sogar in ganz Europa in Gewahrsam nehmen ließ. Nachdem Clemens V am 22. November 1307 mit der Bulle „Pastoralis praeeminentiae“ angeordnet hatte, alle Templer zur Übergabe an die Inquisition zu verhaften und alles Templervermögen zu beschlagnahmen, hob er die Arme Ritterschaft Christi vom salomonischen Tempel zu Jerusalem am 4. April 1312 mit der Bulle „Vox in excelso“ auf, um deren Vermögen am 2. Mai 1312 mit der Bulle „Ad providam“ auf den damaligen Johanniterorden zu übertragen, den heutigen Souveränen Ritter- und Hospitalorden vom Heiligen Johannes von Jerusalem, von Rhodos und von Malta.

Die Gedenktafel, die an der Säule zwischen den beiden Aufgängen vom square du Vert-Galant zur pont Neuf angebracht ist, erinnert noch heute an den Ort, an dem Jacques de Molay, der Großmeister der Armen Ritterschaft Christi vom salomonischen Tempel zu Jerusalem (1292 bis 1314), am 18. März 1314 auf der Insel auf dem Scheiterhaufen hingerichtet wurde.

„A CET ENDROIT / JACQUES DE MOLAY / DERNIER GRAND MAÎTRE / DE L’ORDRE DU TEMPLE / A ÉTÉ BRÛLE LE 18 MARS 1314“

„An diesem Ort / Jacques de Molay / letzter Großmeister / des Ordens der Templer / wurde verbrannt den 18. März 1314“

Östlich der pont Neuf eröffnet sich der place Dauphine, den Henri IV als Ausdruck seiner Freude über die am 27. September 1601 erfolgte Geburt des dauphin (Thronfolger), des späteren französischen Königs Louis XIII des Gerechten (1610 bis 1643), errichten ließ.

Der dreieckige Platz verfügt an der Westseite über eine Breite von etwa 12 Meter, die sich nach einer Länge von etwa 100 Meter an der östlichen Seite auf eine Breite von etwa 67 Meter erweitert; seine mit Sand ausgelegte Innenfläche ist mit Kastanien bepflanzt. Die fünfundsechzig Gebäude, die den Platz umsäumen, beeindrucken durch ihre einheitliche Fassadengestaltung, die zum Teil noch die ursprünglich verwandten weißen Kalksteine und roten Backsteine erkennen lassen.

Der Platz entwickelte sich schnell zu einer bevorzugten Wohnlage: Der Fotograf Louis Daguerre (*1787 bis 1851) lebte in den Häusern 2 bis 4. Während der Schriftsteller André Breton (*1896 bis 1966) und die Künstlerin Léona Delcourt (*1902 bis 1941) im Gebäude 15 wohnten, nutzte der Autor Jacques Prévert (*1900 bis 1977) das Haus 11. Die Schauspielerin Simone Signoret (*1921 bis 1985) und der Schauspieler Yves Montand (*1921 bis 1991) lebten im Haus 15.

Der Platz fand auch Eingang in die Literatur und den Film: Der Schriftsteller Georges Simenon (*1903 bis 1989) ließ seinen Kommissar Jules Maigret regelmäßig ins Café „AUX 3 MARCHES“ einkehren, während der Regisseur Woody Allen (*1935) eine Szene seines Films „Midnight in Paris“ im Restaurant „Mon. Paul“ spielen ließ.

Île de la Cité – Conciergerie – 2017

Westlich des boulevard de Palais erhob sich der um 1300 von Philippe IV in Auftrag gegebene palais de la Cité, in dem vom 10. bis zum 14. Jahrhundert die französischen Könige residierten. Als Teile des palais de la Cité sind heute insbesondere die Sainte-Chapelle, die conciergerie und der palais de Justice bekannt. Der am nördlichen Ende des boulevard de Palais gelegene tour de l’Horloge du Palais de la Cité trägt noch heute die Uhr, die 1370 als erste öffentliche Uhr in Paris in Betrieb genommen und 1585 umgestaltet worden war.

Île de la Cité – Marché aux Fleurs – 2017

Am quai aux Fleurs, der das Nordostufer der Insel säumt, steht das maison d’Héloïse et d‘Abélard.

Nachdem Héloïse (*um 1095 bis um 1164), die Nichte des Fulbert, des Subdiakons der cathédrale Notre-Dame de Paris (1104 bis 1124), nach Paris gekommen war, wurde sie ab 1113/14 von Pierre Abélard (*1079 bis 1142) unterrichtet, der sich als Theologe und Logiker bereits einen Namen gemacht hatte. Zwischen der Schülerin und dem Lehrer entwickelte sich schon bald eine Liebe, der sie sich unter dem Deckmantel der theologischen Studien hingaben. Nachdem Héloïse schwanger geworden war, erfuhr Flubert nicht nur von der Romanze, vielmehr bewegte Abélard seine Geliebte auch zur Flucht zu seiner Familie nach Le Pallet; dort brachte Héloïse den Jungen, der Astralabe genannt wurde, um 1116 zur Welt. Auf die Geburt schienen sich Flubert und Abélard zunächst zwar wieder ausgesöhnt zu haben, sodass Héloïse nach Paris zurückkehrte. Doch traten zwischen Flubert und Abélard sodann erneute Spannungen auf, die sich auf die zukünftige Beziehung zwischen Héloïse und Abélard gründeten. Um Astralabe nachträglich zu legitimieren drängte Flubert auf eine Eheschließung, der Héloïse sich mit Blick auf Abélards Reputation jedoch widersetzte und zu der Abélard nur unter strenger Geheimhaltung bereit war. Nachdem Flubert einen immer stärkeren Druck auf Héloïse, die von Abélard nicht ablassen wollte, ausgeübt hatte, begab sich Héloïse auf Veranlassung ihres Geliebten ab 1116/17 als Nonne ins Kloster Notre-Dame d’Argenteuil. Voller Zorn über die Entwicklung, die Flubert als einen Versuch Abélards deutete, sich der Eheschließung zu entziehen, ließ er 1117 den Geliebten seiner Nichte nicht nur überfallen, sondern auch entmannen. Abélard überlebte die Verletzung zwar, doch zog er sich fortan als Mönch in die Abtei der basilique Saint-Denis zurück.

Heute erinnert zwar eine Inschrift am maison d’Héloïse et d’Abélard an die tragische Liebesgeschichte. Doch entspringt die Vorstellung, dass Héloïse und Abélard in dem Gebäude wohnten allein einer romantischen Verklärung der Liebesbeziehung:

„ANCIENNE HABITATION D’HÉLOÏSE ET D’ABÉLARD / 1118 / REBATIE EN 1849“

„Alte Wohnung von Héloïse und von Abélard / 1118 / Angebracht in 1849“

Île de la Cité – Cathédrale Notre-Dame de Paris – Südwestliche Ansicht – 2017

Der südöstliche Bereich der Insel wird von der cathédrale Notre-Dame de Paris dominiert, in der der Erzbischof von Paris seinen Sitz hat.

Auch der point zéro des routes de France (Nullpunkt der französischen Straßen) liegt auf der Insel. Er ist auf dem parvis de Notre-Dame – place Jean Paul II, dem Vorplatz der cathédrale Notre-Dame de Paris, ins Kopfsteinpflaster eingelassen.

Der Zentralpunkt, der die Grundlage des gesamten klassischen Vermessungsnetzes in Frankreich bildet, wird von einem runden Steinrahmen umgeben, dessen Inschrift auf die Funktion der Markierung hinweist:

„POINT ZÉRO DES ROUTES DE FRANCE“

„Punkt Null der Straßen von Frankreich“

Île de la Cité – Point zéro des routes de France – 2017

Die Ostspitze der Insel erinnert mit dem mémorial des martyrs de la Déportation an die etwa zweihunderttausend Franzosen, die während des Zweiten Weltkriegs (1939 bis 1945) nach ihrer Deportation in (groß)deutschen Konzentrationslagern starben. Das einem Bunker nachempfundene Monument, das am 12. April 1962 eingeweiht wurde, entfaltet durch seine enge und massive Bauweise eine bedrohliche Stimmung, in die etwa 200.000 Glasstäbe als Symbole für die Getöteten eingebracht sind.

In einer Inschrift fordert das Mahnmal seine Besucher auf:

„PARDONNE – N’OUBLIE JAMAIS“

„Verzeih – Vergiss nie“